Warum so günstig?

Die Inflation ist mit 7,2 Prozent immer noch besorgniserregend hoch. Viele Preise steigen – aber eben nicht alle. Welche Produkte gerade schon wieder billiger werden und woran das liegt.

Monat für Monat ist es dasselbe: Immer wenn das Statistische Bundesamt die neuesten Inflationszahlen meldet, ist der Schrecken groß. Schon seit Februar 2021 liegt die Inflationsrate über dem Zielwert der Europäischen Zentralbank von zwei Prozent. Seither steigen die Preise in extremem Tempo, zwischendurch waren es sogar einmal mehr als zehn Prozent. Für April verzeichnen die Statistiker eine Inflationsrate von 7,2 Prozent. Das ist immer noch Anlass zu großer Sorge. Einerseits.

Andererseits aber mehren sich die Lichtblicke. Die Bundesbürger stellen es fest, wenn sie im Supermarkt oder an den Tankstellen auf einzelne Preisschilder schauen. Es gibt sie wieder, die Produkte, die eben nicht mehr im Preis steigen, sondern sinken. Sebastian Dullien, Ökonom bei der Hans-Böckler-Stiftung, stellt für April einen wichtigen Wendepunkt fest: „Zum ersten Mal seit rund zwei Jahren sind im Monatsvergleich die Verbraucherpreise für Nahrungsmittel saisonbereinigt gefallen“, sagt er. Das mache Hoffnung, dass der Höhepunkt überschritten sei.

Trotzdem sind Lebensmittel immer noch die Preistreiber Nummer eins in Deutschland. Die Inflationsrate, die im Jahresvergleich gemessen wird, sank in dem Bereich von 22,3 Prozent im März auf 17,2 Prozent im April. Im Durchschnitt steigen die Preise also heftig weiter. Doch es gibt auch Nahrungsmittel und andere Waren, die günstiger geworden sind. Ja sogar günstiger im Vergleich zu der Zeit vor Beginn des Ukraine-Kriegs. Die SZ hat sich die Statistik genauer angesehen. Demnach sind bei 27 der insgesamt 685 Produkte die Preise jetzt niedriger als im Februar 2021. Bei weiteren 30 Produkten sind die Preise von ihrem Höchststand um mindestens fünf Prozent gefallen. Ein Überblick.

Butter

Einer der Preise, die nach dem rasanten Anstieg so stark abgestürzt sind wie kaum ein anderer, ist der für Butter. Innerhalb von sieben Monaten sank der Verkaufspreis für das 250-Gramm-Päckchen Deutsche Markenbutter im Discounter vom Höchststand 2,29 Euro Anfang Oktober 2022 auf 1,49 Euro Ende April 2023. Der Preis verringerte sich damit um mehr als ein Drittel und liegt damit wieder unter dem Niveau vor Beginn des Ukraine-Krieges.

Klar, natürlich ist gerade keine Backsaison. Plätzchenzeit ist erst wieder Ende des Jahres. Dann dürften die Butterpreise wieder steigen, wie jedes Jahr. Angebot und Nachfrage regeln den Preis. Am steilen Preisabsturz ändert das aber nichts.

Woran das liegt? Aldi hatte Anfang Februar damit begonnen, den Preis deutlich zu senken, und als erster Lebensmittelhändler den Verkaufspreis um 40 Cent für das halbe Pfund gekappt. Nicht nur die nach Weihnachten wieder gesunkene Nachfrage war dafür ausschlaggebend, sondern auch die gefallenen Milchpreise. Voriges Jahr war Milch noch ein knappes Gut. Jetzt ist die Lage andersherum, und die Milchbauern müssen sehen, wie sie die Kosten decken. Reduziert hat der Handel neben der Markenbutter auch andere Herstellersorten, etwa irische und Bio-Butter. Bei anderen Milcherzeugnissen wie Käse oder Milchdrinks sanken die Verkaufspreise ebenfalls, wenn auch nicht unter Vorkriegsniveau.

Äpfel

Auch speziell bei Obst lohnt es sich, genauer hinzuschauen. „Zu glauben, dass Obst und Gemüse generell teurer geworden sind, stimmt so nicht. Die Preise für Äpfel, Spargel oder Rhabarber sind zum Beispiel auf das durchschnittliche Niveau von 2021 gesunken oder darunter“, sagt Markus Schneider, Geschäftsführer von Frutania, einem der bedeutendsten Obstvermarkter Deutschlands. Insbesondere Äpfel sind günstiger als durchschnittlich im Gesamtjahr 2021. Grund dafür sind die vollen Lager Ende vergangenen Jahres, die Masse an Importäpfeln aus Übersee und Südtirol, die in den deutschen Markt drücken, vor allem aber die Verbraucher, sagt Schneider. „Der Konsument hat plötzlich umgeswitcht auf günstige Ware. Hauptsache, immer billiger, ohne über die Konsequenzen nachzudenken, das ist das, was wir seit etwa einem Dreivierteljahr spüren.“

Das heißt, die Verbraucherinnen und Verbraucher suchen gezielt nach günstiger Ware, nicht nur bei Obst und Gemüse, sondern generell. Das schlägt voll auf die Hersteller und Erzeuger durch. „So einen Nachfrageeinbruch wie im letzten Jahr habe ich noch nie erlebt“, sagt der Produzent und Vermarkter. Und wenn die Nachfrage wegbricht, sinken die Preise. „Das ist bei den Äpfeln extrem sichtbar.“

Vor allem die großen Äpfel von hoher Qualität, die von Hand sortiert lose im Supermarkt liegen, werden von den Konsumenten verschmäht. Wenn sie Äpfel kaufen, dann eher die kleineren im 1,5-Kilo-Beutel. Mit starken Folgen für das Spiel von Angebot und Nachfrage. „Lose Äpfel sind im Absatz so dramatisch gesunken, dass es das gesamte Preisniveau bei Äpfeln nach unten gezogen hat.“ Also auch die in der Tragetasche.

Benzin

Mit am offensichtlichsten ist die Entspannung bei den Preisen an den Tankstellen. Autofahrer erinnern sich mit Schrecken daran, wie der Preis für Benzin und Diesel nach Ausbruch des Ukraine-Krieges im März 2022 nach oben schoss. Zeitweise kostete ein Liter jeweils mehr als 2,20 Euro. Heute sind es bei Super etwa 1,80 Euro, bei Diesel rund 1,60 Euro – ein Preisrückgang vom Höchststand um 18 beziehungsweise 27 Prozent.

„Der Hauptgrund dafür ist, dass sich die Lage bei der Rohölversorgung entspannt hat“, sagt Experte Dullien. Russland liefere verstärkt nach China und Indien, dadurch habe der Nahe Osten mehr Kapazitäten für Europa frei. Auch die Engpässe bei den Raffinerien seien nicht mehr so schlimm wie im Frühjahr 2022. Die Folge: Die Benzinpreise sind heute nicht mehr weit entfernt vom Niveau vor der Corona-Pandemie. Anders sieht es dagegen beim Gaspreis aus: Er stieg mit Verzögerung und befindet sich immer noch fast auf Höchstniveau – die Delle im Dezember 2022 ist ein statistischer Ausreißer.

Fernseher und Monitore

Die Preise für Computermonitore sind seit Anfang 2021 um zwölf Prozent gesunken, die für Fernsehgeräte um neun Prozent. Grundsätzlich sei seine Branche weniger anfällig für Preiserhöhungen, sagt Roland Stehle von der GFU, einer Firma, die für Gerätehersteller die Branche im Blick behält: „Der Wettbewerb zwischen Herstellern und auch im Handel ist sehr intensiv.“

Auch die Nachfrage nach den Geräten dürfte ein Grund sein. Nach der Pandemie normalisiere sich die Lage wieder, sagt Stehle: „Pandemiebedingt hatten wir zwei richtig positive Jahre. Die Leute konnten ja nicht in Urlaub, ins Theater oder ins Restaurant. Das Geld haben sie in den eigenen Haushalt investiert, in neue Fernseher, Soundbars, Smartwatches, Home-Office oder Elektrohausgeräte.“ Nun könnten die Leute wieder in die Kneipe oder den Urlaub und gäben ihr Geld dort aus.

Hinzu kommt, dass die aufgelösten Lieferengpässe, die die Preise zeitweise nach oben trieben, auf geringere Nachfrage treffen. Alexander Dehmel, bei der Gesellschaft für Konsumforschung für technische Konsumgüter zuständig, sagt: „Computer und Smartphones kommen vor allem aus Ostasien. Die Lieferketten-Probleme dort bestehen größtenteils seit einem Jahr nicht mehr.“ TV-Hersteller müssten den Kunden entgegenkommen: „Der Fernsehmarkt lief im vergangenen Jahr nicht gut, die Lager auf Handelsseite sind voll. Der Druck, zu verkaufen, ist hoch.“

Smartphones

Allerdings erzählen die gefallenen Preise für Monitore und Fernseher nur die halbe Geschichte. Denn die Daten des Statistischen Bundesamtes verwundern Stehle und Dehmel doch ein wenig: Die beiden Experten sehen steigende Durchschnittspreise. „Das liegt daran, dass teurere Geräte gekauft werden, obwohl einzelne Geräte teilweise auch billiger werden.“ Diese „Premiumisierung“ trifft insbesondere auf Smartphones zu. Wegen der schnellen Produktzyklen bei Unterhaltungselektronik gibt es in vielen Fällen schon nach einem Jahr ein neues, teureres Modell. So kostet das Samsung Galaxy S23, das im Februar auf den Markt kam, 100 Euro mehr als das S22, als es ein Jahr zuvor erstmals verkauft wurde. Das S22 ist im Preis gefallen, seit sein Nachfolger da ist. Das Statistische Bundesamt versucht, die Preise solcher neueren Modelle zu aktualisieren und mit älteren vergleichbar zu halten. Bessere Prozessoren und zusätzliche Fähigkeiten werden berücksichtigt, weswegen ein teureres Modell auch als günstiger in die Statistik einfließen kann.

Dazu passt, dass der Kamerahersteller Gopro diese Woche verkündet hat, die Preise des Kamerasortiments wieder auf das Niveau von vor der Pandemie zu senken. Es zeigt sich also ein umgekehrtes Phänomen wie bei den Äpfeln: Wer früher im billigen Segment einkaufte, hält sich nun zurück – oder aber er gibt mehr Geld für die teureren Varianten aus. Insgesamt sinken die Umsätze bei der Unterhaltungselektronik jedoch.

Elektronik verkauft sich weniger als früher, manche Preise sinken. Bei Smartphones aber, wo das Statistische Bundesamt seit Herbst 2021 fallende Preise feststellt, wird mehr Premium gekauft – auf Kosten der billigeren Geräte.

Reisen

Auf den ersten Blick sieht es so aus, als ob der Urlaub deutlich günstiger geworden wäre. Die Pauschalreise in die Türkei kostet heute kaum mehr als im Februar 2021, dazwischen war sie schon mal 60 Prozent teurer. Ähnlich ist es mit Griechenland und den Balearen. Doch man darf sich nicht täuschen lassen: „Die Preise für Pauschalreisen sind stark saisonabhängig“, sagt Ina zur Oven-Krockhaus, Professorin an der IU Internationalen Hochschule in Hannover.

Die Preise zögen in den Sommerferien stark an, und zwar über das Niveau von 2021 und 2022, weil viele Deutsche nach Corona wieder reisen wollten. Auch die Preise für internationale und nationale Flüge unterliegen starken saisonalen Schwankungen. Sie können zwischendurch deutlich fallen, was aber nicht heißt, dass sie danach nicht wieder genauso deutlich steigen.

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